Die Vermessung der Erde

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3.1.8 Georeferenzieren von kontinuierlichen Feldern (Rasterdaten) mit Hilfe geometrischer Rektifikation

Georeferenzieren heißt, an ein Geodatenobjekt (Vektordaten, Rasterdaten) seine geographische Position anzufügen, also ihm mitzuteilen wo es sich auf der Erdoberfläche befindet. Der Vorgang einer immer notwendigen Georeferenzierung von Rasterbildobjekten ist begründet durch das implizite Raummodell der Rasterdaten, also das Fehlen eines geographischen oder kartesischen Bezugssystems. Natürlich können auch Vektordatenobjekte georeferenziert oder rektifiziert werden. Jedoch liegen bedingt durch den zugrunde liegenden expliziten Raumbezug Vektordaten (mit Ausnahme von CAD-Daten) fast immer in einem Referenzsystem vor. Hier ist die korrekte Zuweisung des Projektionssystems von zentraler Bedeutung. Im Einzelfall kann es jedoch auch notwendig werden auch Vektor-Objekte zu georeferenzieren.

Rasterdaten werden von den entsprechenden Aufnahmesystemen zunächst immer ohne expliziten Raumbezug also ohne Georeferenz erzeugt. Erst in einem zweiten Schritt wird dem Datensatz, falls notwendig ein Raumbezug durch ein Koordinatensystem zugewiesen. Grundsätzlich werden unterschiedliche Begriffe und Ziele bei der Referenzierung und Rektifizierung von Rasterdaten verfolgt:

Allerdings sind Rasterdatenmodelle mit unregelmäßig geformten Zellen in der GIS-Praxis quasi nicht existierend. Meist sind die Zellen in einer gleichförmigen Matrix, z.B. einem Gitter (grid) aus Zeilen (horizontal) und Spalten (vertikal) angeordnet. Die Verwendung regelmäßiger Maschen im Rasterdatenmodell ist für die automatisierte Datenverarbeitung, wenn nicht zwingend so doch ungleich besser, geeignet. So sind z.B. Berechnungen und der Zugriff auf die Zellen bei regelhaften Rastern ohne Aufwand durchführbar. In der Praxis werden regelmäßige Maschen fast ausschließlich als Quadrate (gelegentlich auch als Dreiecke bzw. Sechsecke) verwendet. Diese Quadrate werden in Zusammenhang mit Rasterdaten als Rasterzelle oder Pixel (picture element) bezeichnet.

  • Rektifizierung: Korrektur der systemaren Aufnahmefehler eines Scannersystems (Aufnahmeverzerrung des Aufnahmesystems, evtl. Flugbahneigenschaften) und der Verzerrung durch die Ellipsoid-Gestalt der Erde mit Hilfe von Passpunkten und mathematischen Transformationsfunktionen
  • Koreferenzierung: Zuweisung einer relativen Geometrie unterschiedlicher Rasterdaten aufeinander (z.B. verschiedene spektrale, zeitliche Bildkanäle eines Satelliten oder Zeitserien verschiedener thematischer Karten) mit Hilfe von Passpunkten und mathematischen Transformationsfunktionen
  • Georeferenzierung: Erstellung einer geometrischen Lageanpassung eines digitalen Rasterbilds (z.B. Scanvorlage einer topographischen Karte) unter Verwendung eines existenten Bezugsrahmens mit Hilfe von Passpunkten und mathematischen Transformationsfunktionen

Nach Erstellung des mathematischen Modells erfolgt dann die Anwendung der ermittelten Rechenvorschrift auf den Rasterdatensatz, das sogenannte Resampling. Dies dient:

  • zur Positionsberechnung der referenzierten Pixelmatrix.
  • Zur Werteberechnung der neuen Pixelwerte da durch die z.T. erheblichen Verzerrungen der Ursprungsmatrix für die Ziel-Pixel-Werte die sinnvollsten Werte ermittelt werden müssen.

Das Verfahren der Geokodierung

Der gesamte Vorgang (Rektifizierung, Georeferenzierung und Resampling) wird häufig als Geokodierung von Rasterbilddaten bezeichnet. Das Verfahren der Geokodierung ist mathematisch relativ aufwendig und wird nachfolgend vereinfacht dargestellt Streit (2007). Es wird angenommen, dass zwei digitale Datensätze von denen ein Datensatz bereits georeferenziert ist (z.B. eine georeferenzierte topographische Karte) vorhanden sind:

Schritt 1:

Identifikation sogenannter Passpunkte (ground control points). Die Lage der Punkte muss sich sowohl im Bild als auch im Referenzbild möglichst genau entsprechen. Als Faustregel gilt je verzerrter desto mehr GCPs. Als Passpunkte in Frage kommen leicht identifizierbare Punkte, z.B. größere Straßenkreuzungen, Brücken, Geländeformen, Grundstücksgrenzen etc..

Die Passpunktkoordinaten aus der Karte werden geometrisch durch ihre Koordinaten nach den Projektionsvorschriften des Datensatzes bestimmt. Die korrespondierenden Passpunkte in der Bildmatrix werden geometrisch durch ihre Zeilen- und Spaltenindizes aus dem Rastermodell definiert.

Schritt 2:

Nach Festlegen einer genügend großen Anzahl von Passpunkten werden die Transformationsfunktionen für die geometrische Transformation der Kartenkoordinaten in die Bildindizes und die geometrische Transformation der Bildindizes in die Kartenkoordinaten mit Hilfe der Passpunkte berechnet. Die resultierenden Transformationsfunktionen stellen aufgrund der Anzahl und der prinzipiellen Ungenauigkeit der Lage der Passpunkte eine möglichst gute Schätzung der neuen Koordinatenwerte dar. Generell wird dies mit Hilfe statistisch-numerischer Anpassungsrechnungen (iterative Optimierung) erreicht. Als Funktionstypen für die Transformationsfunktionen werden je nach Verzerrungsgrad und Qualität der Passpunkte unterschiedliche Verfahren angewendet:

  • Lineare Rektifizierungsmethode: wird benutzt um ein bereits geometrisch korrekt vorliegendes Rasterbild in ein Koordinatensystem „einzuhängen“. Es werden mindestens 2 Passpunkte benötigt. Einschränkung: Mit dieser Methode können keinerlei Verzerrungen sondern nur linerare Skalierungen vorgenommen werden.
  • Affine Rektifizierungsmethode: Die affine Transformation ist eine Transformation 1.Ordnung. Mit ihr lassen sich Bilder spiegeln und rotieren. Einschränkung: Mit dieser Methode können keine nichtlinearen Verzerrungen korrigiert werden
  • Polynominale Rektifizierungsmethode: Bei Polynom-Rektifizierungen kommt es auf die Ordnung des Polynoms an:
    • Polynom 1. Ordnung: entspricht im Wesentlichen einer linearen und affinen Transformation. Einschränkung: Die Wahl und die Verteilung der Passpunkte erfordert viel Erfahrung
    • Polynome 2. Ordnung eignet sich um einfache Verzerrung von Länge und Breite in einer ebenen Projektion abzubilden. Es ist eine nicht lineare Transformation, die einfache Verzerrungen korrigiert. Einschränkung: Die Wahl und die Verteilung der Passpunkte erfordert viel Erfahrung
    • Polynome 3. Ordnung eignet sich zum Entzerren von nicht regelhaft verzerrten Scanvorlagen, Satellitendaten und Luftbildern. Einschränkung: Die Wahl und die Verteilung der Passpunkte erfordert viel Erfahrung
    • Polynome 4. und höherer Ordnung eigenen sich zur Entzerrung von stark verzerrten Datenbeständen. Bei der Wahl eines geeigneten höheren Polynoms kommt es vor allem auf die Verteilung der Verzerrung und der Passpunkte an. Einschränkung: Die Wahl und die Verteilung der Passpunkte erfordert viel Erfahrung
  • Triangulation: Üblicherweise wird bei einer Triangulation eine Dreiecksvermaschung der Kontrollpunkte durchgeführt. Innerhalb der Dreiecke wird jeweils eine separate Transformation bestimmt. Einschränkung: Die Wahl und die Verteilung der Passpunkte erfordert viel Erfahrung

Schritt 3:

Über diesen Kartenausschnitt wird ein Gitternetz in der gewünschten Maschenweite (Pixelgröße) der Zielbildmatrix gelegt.

Schritt 5:

Auf den Mittelpunkt jeder Gittermasche werden die Transformationsfunktionen angewendet. Als Resultat erhält man den zugehörigen Zeilen- und Spaltenwert in der originalen Bildmatrix.

Nun wird die geschätzte Position aus der originalen Bildmatrix ein bestmöglich repräsentativer numerischer Wert berechnet (resampling). Hierfür gibt es drei gängige Verfahren:

  • das nearest-neighbour-Verfahren, bei dem numerische Wert der der Originalposition nächstgelegenen Rasterzelle in die Gittermasche Zielbildes übertragen wird (üblich bei Satelliten und anderen Messdaten da es zu keiner numerischen Veränderung der Messwerte kommt)
  • lineare (bilineare Interpolation) bei der die numerischen Werte der Nachbarpixel der der Originalposition nächstgelegenen Rasterzellen in eine oder zwei Raumrichtungen interpoliert und in die Gittermasche Zielbildes übertragen werden (Veränderung der Zahlenwerte aber gefälligeres, glatteres Bild)
  • quadratische Interpolationsmethoden (bikubische Konvolution). bei der die numerischen Werte der Nachbarpixel der der Originalposition nächstgelegenen Rasterzellen in kubisch interpoliert und in die Gittermasche Zielbildes übertragen werden (Veränderung der Zahlenwerte aber gefälligeres, glatteres Bild)

Nachdem alle Gittermaschen im Kartenausschnitt dieser Berechnung unterzogen wurden, erhält man ein auf die Referenzdaten geometrisch angepasstes Bild mit der gewählten Wertezuweisung. War das Referenzsystem geographisch Projiziert ist natürlich auch das Zielbild geographisch referenziert. Die Geokodierung ist ein allgemein anwendbares Verfahren, um raster- bzw. vektorbasierte Geodaten aus unterschiedlichen Koordinatensystemen empirisch aufeinander anzupassen.

Denken Sie nach...

  • Was für Einsatzmöglichkeiten ergeben sich durch das Verfahren der Geokodierung?
  • Warum ist dieses Verfahren neben der Fernerkundung insbesondere in z.B. der historischen Geographie oder aber auch den Umweltwissenschaften von hoher Relevanz?
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