Die Vermessung der Erde

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3.1.5 Das geodätische Datum

Bei einer kleinräumigen Betrachtungsweise ist die Genauigkeit einer auf ein Referenzellipsoid bezogenen Koordinatenbestimmung völlig ausreichend. Spannend ist, dass erst mit der Entwicklung von interkontinentalen Raketen in der ersten Hälfte des 20. Jhds. eine neue Dimension der Genauigkeit für die praktische Anwendung angestrebt wurde. In der Anwendung ist nämlich eine senkrechte Projektion auf das Ellipsoid unmöglich. Die senkrechte Projektion auf das ca. auf Meeresniveau angenäherte Ellipsoid weicht um die sogenannte Lotabweichung von der wirklichen Senkrechten, wie sie durch ein gravitatives Schnurlot dargestellt wird, ab. Bei Vermessungen, die genauer sein sollen als etwa 0,5 Meter/1000 Meter (z.B. zur Berechnung der Ballistik von Interkontinentalraketen oder der Kontinentaldrift...), muss dieser Effekt berücksichtigt werden und die Messungen korrigieren zu können.

Abbildung 10: Differenz zwischen wahrer Lotrichtung und Ellipsoidnormale (=Lotabweichung) der zugehörigen Bezugskörper des Ellipsoids und Geoids Abbildung 10: Differenz zwischen wahrer Lotrichtung und Ellipsoidnormale (=Lotabweichung) der zugehörigen Bezugskörper des Ellipsoids und Geoids (GIS.MA 2009)

Das Referenzmodell für die sich räumlich (und auch zeitlich) unterschiedlich ausprägende Schwere der Erde ist ein sogenanntes Geoid. Abbildung 11 visualisiert stark überhöht und farblich hervorgehoben diese Schwereanomalien.

Abbildung 11: Stark überhöhte Visualisierung des Erdschwerefelds (Geoid)Abbildung 11: Stark überhöhte Visualisierung des Erdschwerefelds (Geoid) (NASA 2005)

Für genaue Messungen oder möglichst exakte Kartenprojektionen müssen beide Bezugskörper, das Ellipsoid und das Geoid, berücksichtigt werden. Abb. 7 und 8 zeigen die konzeptuellen Probleme bei der Berücksichtigung des Geoids und des Referenzellipsoids für eine exakte Berechnung von Koordinaten. Klassisch wird hierzu -möglichst im Zentrum des abzubildenden Erdausschnittes- ein Referenzpunkt gesetzt (Fundamentalpunkt), der zusammen mit dem Referenzellipsoid das sogenannte geodätische Datum ergibt.

Abbildung 12: Veranschaulichung der Schwerevariation entlang des Äquators, bezogen auf eine kreisförmige Referenzfläche (schwarz)Abbildung 12: Veranschaulichung der Schwerevariation entlang des Äquators, bezogen auf eine kreisförmige Referenzfläche (schwarz) (Dandor 2006)Abbildung 13: Birnenform als Näherung der Erdfigur im Vergleich zum elliptischen Querschnitt (schwarze Linie)Abbildung 13: Birnenform als Näherung der Erdfigur im Vergleich zum elliptischen Querschnitt (schwarze Linie) (Dandor 2006)

Das geodätische System

Seit der Satellitenvermessung mit Globalen Positionierungssystemen (GPS) sind allerdings derart viele, unabhängige Messungen bezogen auf die reale Erdgestalt verfügbar, dass nicht länger vom geodätischen Datum gesprochen wird sondern vom geodätischem System.

Das World Geodetic System 1984 (WGS 84) ist derzeit das am meisten verwendete geodätische Referenzsystem und dient als einheitliche Grundlage für Positionsangaben auf der Erde und im erdnahen Weltraum. Geodätische Systeme sind -anders als geodätische Datums- global konstruiert und bestehen aus dem Referenzellipsoid, dem eingemessenen Geoid, und zwölf Fundamentalstationen (siehe Abbildung 14), über die der Bezug zur Erdkruste über zeitabhängige Koordinaten bestimmt wird.

Abbildung 14: Geodätisches Observatorium und Fundamentalstation Wettzell, Bayern. Die beiden Kuppeln links und in der Mitte beherbergen das Satellie Observing System Wettzell (SOS-W) und das Wettzell Laser Ranging System (WLRS). Rechts im Bild ist die 20m-Schüssel des Radioteleskops Wettzell (RTW) zu sehen.Abbildung 14: Geodätisches Observatorium und Fundamentalstation Wettzell, Bayern. Die beiden Kuppeln links und in der Mitte beherbergen das Satellie Observing System Wettzell (SOS-W) und das Wettzell Laser Ranging System (WLRS). Rechts im Bild ist die 20m-Schüssel des Radioteleskops Wettzell (RTW) zu sehen. (Raab 2008)

Betrachten sie die folgende Abbildung. Sie zeigt schematisch zweidimensional die Verschiebungen von Referenzellipsoiden bezogen auf das Geoid / wahre Erdoberfläche. Die Sterne markieren jeweils den Mittelpunkt des jeweiligen Körpers. Versuchen Sie sich zu verdeutlichen welche Parameter notwendig sind um diese Verschiebung durchzuführen.

Abbildung 15: Verschiebungen von Referenzellipsoiden bezogen auf das Geoid/wahre ErdoberflächeAbbildung 15: Verschiebungen von Referenzellipsoiden bezogen auf das Geoid/wahre Erdoberfläche (GIS.MA 2009)

Denken Sie nach...

  • Drucken sie sich die obige Abbildung aus und konstruieren mit Lineal und Stift die notwendigen Verschiebungen
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