GIS als räumliches Denken in der Geographie

separation line
Go to previous page zurück Go to next page vor

1.1.6 GIS und geographische Abstraktion

Zur Abstraktion und Kommunikation einer räumlichen oder besser geographischen Weltsicht spielte die traditionelle Kartographie eine wichtige Rolle. Seit mindestens zwei Jahrzehnten fällt in rasant zunehmendem Maße diese Rolle den Geoinformationssystemen zu. Die methodischen Möglichkeiten und die durch das Internet und mobile Geräte nahezu ubiquitäre Verfügbarkeit von Daten legen es nahe einige resultierende Aspekte näher zu beleuchten. Informationssysteme sind dazu da, uns bei der Organisation des vorhandenen Wissens zu unterstützen. Wie eingangs in der Definition von GIS erläutert, bieten GIS-Technologien hierfür die entsprechende organisatorische und technische Infrastruktur. Was jedoch Wissen ist und inwieweit die Interpretation von Wissen und die Verfügbarkeit von Wissen auf diese Weise belastbar und nachvollziehbar für alle zugänglich gemacht werden kann, bleibt zunächst einmal davon völlig unberührt. Daher wurde schon früh angemahnt (und dies gilt vor dem Hintergrund des Potenziale des Internets heute um so mehr) einige wichtige Aspekte wissenschaftstheoretischer, ethischer und politischer Natur bei der Arbeit mit GIS zu berücksichtigen (Pickles 1993).

  • Die Art, in der die Realwelt durch GIS modelliert wird, bevorzugt spezifische Sichtweisen und vernachlässigt andere. Dies reicht von nicht zureichenden Vereinfachungen (z.B. Bodenkarten mit diskreten Grenzen der Bodentypen) bis hin zur Marginalisierung von Sichtweisen und Meinungen von Minoritäten oder Gruppen ohne Zugang zu diesen Werkzeugen.
  • Der Erfolg von GIS wirft die Frage nach einer ökonomisch bedingten Schieflage in der Anwendung auf. Durch seine faszinierenden Möglichkeiten der Raum- und Weltinterpretation ist es ein Kontrollinstrument und erhält und festigt bestehende Wissens- und Machtstrukturen.
  • Ganz generell wird GIS auf der Grundlage seiner formalen Abstraktionsweise naturwissenschaftlicher Positivismus vorgehalten. Dieser steht in gewissem Widerspruch zu der auch nach der auf dem Kieler Geographentag (1969) initiierten "quantitativen Revolution" noch merklich vorhandenen "holistischen Sichtweise" in der Geographie.
  • Für die Protagonisten (z.B. universitär ausgebildete GIS-Nutzer) ergibt sich daraus eine spezifische Verantwortung, transparent und nachvollziehbar zu arbeiten. GIS ist wie jedes Werkzeug nur solange neutral, wie es nicht angewendet wird.

Es ist spannend zu beobachten, dass dieses Feld überwiegend nicht mit Geographen sondern mit Wissenschaftlern und Vertretern völlig anderer Richtungen besetzt ist. GIS ist mit Sicherheit kein Softwarewerkezug, für das man einfach einige wichtige Klicks oder Befehle erlernt. Wer räumliche Kompetenz erwerben will, muss all die genannten Aspekte und keineswegs nur die softwarespezifischen berücksichtigen und integrieren. Wissenschaftstheoretisch betrachtet ist GIS das transparente und nachvollziehbares Konstruieren raum-zeitlicher Zusammenhänge.

GIS in der universitären Geographie

Versuchen Sie einzuordnen welche Relevanz GIS im universitären Alltag im Fach Geographie hat. Besuchen Sie eine Auswahl von geographischen Instituten (virtuell):

  • Versuchen Sie die Akzeptanz von GIS anhand der Studienordnungen und der angebotenen Kurse einzuordnen.
  • Schauen Sie in den Veröffentlichungslisten einiger der Fachrepräsentanten (Berufsgeographen) ob Sie GIS- relevante Literatur finden und wenn welche Schwerpunkte vertreten sind.

Denken Sie nach...

  • Können Sie in der deutschsprachigen Geographie eine Grundtendenz bzgl. der Verwendung von GIS ausmachen (z.B. als Methode, als graphisches Werkzeug, als Kartogaphietool...)?
  • ie nehmen Sie die Auseinandersetzung und das Verständnis von GIS im eigenen Institut wahr?
  • Können Sie geographische Fragen benennen, die ohne räumliches Denken oder GIS auskommen?
separation line