Repräsentation geographischer Weltsichten

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2.1.4 Was sind geographische Daten?

Was sind geographische Daten (Center for Geoinformation 2006)

Trotz der Definitionen und Erläuterungen scheint die Beantwortung der Frage „Was sind Geodaten?“ nicht ganz einfach zu sein. Auch wenn die im Film gezeigte Umfrage nicht ganz repräsentativ sein dürfte (und unter Studierenden des Faches Geographie auch nicht sein sollte) scheinen Laien nur eine schwach ausgeprägte Vorstellung von dem Begriff Geodatum zu haben. Geodaten oder geographische Daten (singl. Datum) liefern räumlich fixierte, maschinenlesbare Konstrukte aus Zeichen, Bildern oder Funktionen die mit entsprechender Interpretationsregeln zu Informationen werden. Da aus der Lektion 1 bekannt ist, dass Daten Interpretationsvorschriften benötigen, um zu Informationen zu werden, müssen wir dieses Wissen nur noch mit dem Ziel, eine geographische Repräsentation der Welt durchzuführen, verbinden. Die zentrale Fragestellung lautet: Was ist spezifisch geographisch und wie können wir diese geographische Ableitung der Wirklichkeit für binär operierende GI Systeme durchführen? Ein typisches Beispiel für Geodaten ist in folgender Aussage kodiert: Die Temperatur am Havanna Airport betrug am Donnerstag, den 17.09.2009 um 08:00 lokaler Zeit 23.0°C . Die Koordinaten lauten: 22° 59′ 21″ N, 82° 24′ 33″ W, 64 m ü. MSL. Analysieren wir diese Aussage auf ihren Inhalt so finden wir alle wesentlichen Elemente einer geographischen Repräsentation eines Echtweltobjekts. Sie verbindet Raum (Koordinaten und Höhe) mit Zeit (lokale Zeitangabe) und der Eigenschaft bzw. dem Attribut der Lufttemperatur. Zusätzlich bekommt der definierte Ort weitere Eigenschaften, hier sind es die selbsterläuternden Beschreibungen zu Lokalität: Havanna und Airport. Aus dieser Aussage kann schließlich folgendes geographisches Datum gebildet werden:

22° 59′ 21″ N 82° 24′ 33″W 64 m ü. MSL 8.00 Uhr LT; Havanna Airport 23.0 °C


Geographische Daten verbinden somit räumlich eindeutig verortete Objekte mit mindestens einer Merkmalsausprägung. Diese „Daten-Primitive“ können natürlich beliebig komplex werden. Sie können darüber hinaus, wie Sie später lernen, sowohl direkt als auch indirekt zueinander in Beziehung gesetzt bzw. voneinander abgeleitet werden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass auch Aussagen wie der „K2 hat den schwersten Normalweg eines 8000er Gipfels“ in ein geographisches Datum überführt werden kann. Allerdings sind hierzu weitere Kenntnisse bzw. Dekodierungsvorschriften notwendig. Man muss wissen dass K2 der international bekanntere Namen des Lambha Pahar, des zweithöchsten Berges der Erde ist. Weiterhin muss bekannt sein, dass „Normalweg“ im Alpinistenjargon der „am häufigsten begangene Weg“ bedeutet. Aus dieser Interpretation wird somit das geographische Datum:

35° 53′ 0″ N 76° 31′ 0″ O Lambha Pahar K2 >8000 m ü. MSL schwerster Normalweg



Die Merkmale von Raumobjekten

Schon anhand dieser zwei Beispiele wird deutlich, dass die Attribute von Raumobjekten beliebige Ausprägungen aufweisen können. Manche dieser Ausprägungen können physikalischer Natur sein oder beschreiben soziologische Aspekte, verweisen auf Eigentumsrechte, sind fortlaufende Nummern etc.. Sie können Orte identifizieren (z.B. Adressen) oder Räume (z.b. manche Postleitzahlen). Sie können Maßzahlen sein (z.B. Einwohner/Fläche) oder kategoriale Ausprägungen haben (beliebte Kneipe, unbeliebte Kneipe). Da es in den Wissenschaften üblich ist mit Werten, Attributen und ihren Ausprägungen zu arbeiten, sind diese auch im Bereich Geographischer Informationssysteme bekannt. Diese sogenannten Skalenniveaus sind bereits aus der Statistik bekannt und werden Nominal-, Ordinal- und Kardinalskala genannt. Sind Merkmalsausprägungen zeitabhängig werden sie als zyklisch bezeichnet. So einfach Geodaten erzeugt werden können, begegnen wir erneut einer bekannten Problematik. Es ist zwar eindrucksvoll die Temperatur am Flughafen von Havanna um 8.00 Uhr lokaler Zeit am 17.09.2009 als Repräsentation des Wetters verfügbar zu haben (erst Recht falls wir keine Möglichkeit besitzen zu diesem Zweck nach Havanna zu reisen). Doch lassen Sie sich fragen, wie sähe diese Repräsentation des Wetters z.B. 5 Minuten später, während des Durchzugs eines Hurrikans, aus?

Worum es geht, ist einfach: Die Welt ist prinzipiell beliebig komplex, (zudem dynamisch) und strebt in der Anzahl ihrer Merkmalsausprägungen gegen unendlich. Unser Gehirn hingegen und noch mehr, die von uns eingesetzten Computer, sind in ihren Möglichkeiten Merkmalsausprägungen zu verarbeiten und abzuspeichern extrem endlich! Als Folge kann, aufgrund mentaler und technischer Beschränktheit, nur eine außerordentlich limitierte Anzahl von Merkmalsausprägungen in die Repräsentation von Echtwelt eingehen. Zuvor wurde bereits mehrfach die Notwendigkeit zur zielgerichteten Vereinfachung der repräsentierten Welt angesprochen. Um einen möglichst objektivierbaren Rahmen für die notwendigen Vereinfachungen während des Entwurfs geographischer Repräsentationen zu haben, werden diese immer skalenorientiert (Raum- und Zeitskala) durchgeführt. Aufgrund der Vielzahl von Möglichkeiten zur (mehr oder weniger) sinnvollen Reduktionen in der Erdbeschreibung gibt es für diesen Prozess eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Konzepten und Vorgehensweisen. Gerade für GI-Systeme gilt, dass trotz aller Standardisierungen und Vereinfachungen durch Konsortien Softwareentwicklern und Datenprovidern die Frage einer sinnhaften, gültigen und zweckdienlichen Vereinfachung von Repräsentationen ständig beschäftigen wird.

Geographische Repräsentation

Fassen wir zusammen, so sind Geodaten Merkmalsausprägungen, die Geoobjekte (Gegenstände und kontinuierliche Raumeigenschaften), hinsichtlich eines spezifischen Zwecks, zureichend charakterisieren. Geoobjekte sind immer Repräsentationen real existierender Objekte, die durch eine Position im Raum direkt (z.B. durch Koordinaten = Geometrie) oder indirekt (z.B. durch Beziehungen = Topologie) referenzierbar (=verortet) sind. Sie sind immer formale Kodierungen der Eigenschaften und der zugehörigen Interpretation (=Informationen) dieser echten Objekte in Form von Ziffern und Zeichen zur computergestützten Verarbeitung.

Versuchen Sie dieses eher abstrakte Konzept im GIS-Alltag wiederzufinden. Besuchen Sie erneut die Ihnen bereits bekannten Webseiten, nur dass Sie nun ihren Fokus auf die Art der Repräsentation richten. Welche Merkmale/Merkmalsausprägungen werden genannt (evtl. auch welche werden nicht genannt)? Ist die Abstraktion für den von Ihnen vermuteten Zweck (Zielsetzung) sinnvoll? Ist der geographische Aspekt für Sie ersichtlich?

Denken Sie nach...

Versuchen Sie sich zu verdeutlichen, dass die Repräsentation von Echtweltausschnitten für unseren Alltag allgegenwärtig ist.

  • Gibt es formale/inhaltliche Unterschiede in der geographischen Repräsentation der Marburger Lufthygiene-Messstation und des Cinplex?
  • Suchen Sie eigene Beispiele einer formalen geographischen Repräsentation in ihrem Alltag. Wie beschreiben Sie z.B. ihrem neuen Mitbewohner den Weg in die Mensa (ins Seminar, zu einem Buch in der Bibliothek....)?
  • Versuchen Sie zu identifizieren, wie eine derartige Repräsentation formalisiert werden kann (Tabelle, Baumstruktur, Beschreibung, Zahlen, Bilder...)
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